Hohe Erwartungen vom Umfeld?

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Hi, ich finde es sehr mutig, dass du darüber sprichst!

Ich kenne das sehr gut, auch wenn es bei mir ein bisschen unterschiedlich ist. Ich war immer sehr gut in der Schule und an der Uni, jetzt bei der Arbeit. Meine Eltern meinten schon immer, dass es selbstverständlich ist, der beste in der Klasse/Stadt/Abteilung zu sein und es gab Streit daheim, wenn ich mal ausnahmsweise keine 1.0 hatte. Deshalb habe ich mir von klein an sehr viel mühe gegeben, zum einen um den Streit zu meiden und zum anderen irgendwie in der (dummen) Hoffnung sie stolz/glücklich zu machen. Meine Oma sagt bis heute noch jedes Mal, wenn ich sie höre, dass ich perfekt sein soll und so Sachen.

Die Lehrer haben mich teils geliebt und gelobt, teils sehr ungerne gehabt. Die Kommilitonen haben mich als Konkurrenz gesehen und meinten, ich will den Lehrern gefallen, oder habe keine Interessen außer lernen, oder sonst so unschöne Sachen. Die Kollegen haben mich auch ungerne, weil ich viel mehr Arbeit leiste und viel schneller die Dinge verstehe.

Ich habe mich früher in der Schule sehr viel geschämt und mich unsicher gefühlt, gar nicht im Unterricht teilgenommen oder meine Meinung vertreten. Bis heute habe ich es sehr schwer mit Selbstbewusstsein und Selbstwertschätzung.

Aber ich habe in den letzten Jahren doch einiges gelernt. Vielleicht hilft dir das eine oder andere...

Ich habe gelernt, dass meine Meinung, Wahrnehmung, Gefühle nicht weniger wichtig sind als die der anderen. Auch wenn sie sich nicht dafür interessieren, ich soll mich um mich kümmern und nicht zu viel Wert darauf legen, was die anderen darüber denken. Letztendlich kümmern sich die anderen auch "nur" um sich und vertreten ihre Meinung.

Ich habe gelernt, dass vieles, was man als Kind zu Hause lernt Mist ist und man das aussortieren bzw. hinter sich lassen soll. Das dauert. Aber es geht allen so, jeder hat seine Probleme und die rosa Welt aus Instagram gibt es in der Realität nicht. Sich bewusst zu sein, was man in seinem Charachter ändern will ist der erste Schritt, dann soll man aktiv daran zu arbeiten. Täglich.

Ich habe gelernt, was meine Stärken und Schwächen sind und diese akzeptiert. Ich kann inzwischen sagen, was ich kann und nicht kann und schäme mich nicht davon. Ich weiß, dass ich nicht perfekt bin und bin ok damit. Ich versuche auch nicht mehr (dauernd) perfekt zu sein, jemandem zu gefallen oder sonst etwas in der Richtung. Ich versuche viel mehr herauszufinden, was ich selber will und bemühe mich dann das zu bekommen/erreichen.

Mach dir bewusst, was deine Stärken und Schwächen sind, und akzeptiere sie. Die Lehrer loben dich vielleicht genau deshalb, weil sie dir helfen wollen, selbstbewusster zu werden. Mach dir kein Stress dadurch. Und achte nicht zu sehr darauf, was die anderen (für dich und dein Leben) wollen/erwarten, sondern fokussiere dich darauf, was du willst. Es ist dein Leben. Die anderen haben ihre eigenen, mit denen sie machen können, was sie wollen. Dein Leben ist aber für dich und je schneller du das lernst und anfängst, es nach deinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten, desto besser.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung